Mit Reiseberichten verhält es sich ja oft so,
dass zwar von unglaublich interessanten Erlebnissen und Erfahrungen in fernen
Ländern erzählt wird, dies jedoch nicht von einem Schriftsteller sondern von
einem Reisenden. Den literarischen Erwartungen des Lesers werden daher nur
wenige Werke dieses Genres wirklich gerecht.
Ein wenig verhält es sich so zwar auch mit den
hier vorliegenden Reflexionen eines
Suchenden, doch hebt sich diese Reisebeschreibung von ähnlicher Literatur
dadurch ab, dass das Erlebte und Gesehene zudem genau betrachtet und analysiert
wird. Hier ist deutlich zu erkennen, dass da einer schreibt, der uns nicht nur
auf eine Reise in den Kaschmir und nach Indien mitnehmen will sondern auch in sein
Innerstes. Auffarth spart nicht mit eigenen Gedanken, Gefühlen, Emotionen und
philosophisch angehauchten Überlegungen über den Zustand der Welt sowie des
Lebens an sich. Man spürt regelrecht, dass hier einer aufgebrochen ist, um ein
Dasein jenseits von Kommerz, Statik, Bürgerlichkeit und festgesetzten
Glaubensmustern zu suchen. Einer, der nicht weiß, wohin er gehört – dies aber
im Gegensatz zu so vielen Menschen auch offenherzig zugibt. So wird im
umfangreichen ersten Kapitel sehr ausführlich über die Lebensumstände und
großen Lebenskrisen des jungen Autors berichtet, die oft in Alkohol- und
Drogenexzessen endeten. Diese einführenden Erläuterungen werden möglicherweise
den einen oder anderen Leser abschrecken und hätten sicherlich ein wenig kürzer
gehalten werden können. Gleiches gilt für den ersten Teil des Abenteuers, das
nach Griechenland und Istanbul führt. Doch kann man nur durch Sätze wie diesen,
der die Erlebnisse einer vorangegangenen Afrikareise und die erschreckenden
Lebensumstände der dortigen Bevölkerung reflektiert, verstehen, was den Autor antreibt,
warum er so unzufrieden ist und wonach er sucht: „Wie konnte ich glücklich sein im Angesicht ihres Elends? Wie konnte
überhaupt jemand glücklich sein?“
Solcherlei nahegehenden Betrachtungen sind wohl notwendig, um den
Grund für Auffarths erste Asien-Reise, die den radikalen Ausbruch aus seinem
bisherigen Leben begründet, und das dabei Erlebte besser einordnen zu können.
Schließlich werden in diesem Werk, das mit zunehmender Seitenzahl immer
spannender zu lesen wird, nicht einfach Fakten über Sehenswürdigkeiten und
Fahrtrouten aneinander gereiht. Vielmehr werden wir Teil der Suche nach
Lebenssinn, auch wenn fraglich ist, ob dieser wirklich nur an einem einsamen
Strand in Goa unter gleichgesinnten Aussteigern und Weltenbummlern zu finden
ist. Dass Auffarth sich dort das erste Mal seit seiner Kindheit wirklich
verstanden fühlt und mit sich und der Welt im Reinen das Hier und Jetzt
genießen kann, weshalb es für ihn definitiv der richtige Ort ist,
wird während der Lektüre sehr anschaulich, wenn er schreibt: : „…die Sonne fand den Weg in mein Herz.“
Wer auf seinen Urlaubsfahrten schon ähnlich
zwielichtigen Gestalten begegnet ist wie unser Suchender oder die aufregende
Unsicherheit kennt, die Backpacker-Reisen in fremde Länder und Kulturen mit
sich bringen, kann insbesondere die Erlebnisse im mittlerweile viel
friedvolleren Kaschmir nachvollziehen. Denn der Autor lässt eigene Fehler in
der Reiseplanung und der Bewertung von bestimmten Situationen vor Ort nicht
einfach aus, sondern hadert öffentlich mit sich selbst und erklärt dann später,
wie gerade diese schlechten Erfahrungen dann zum Gesamterfolg der Reise
beitrugen. Denn solcherlei negative Erlebnisse sind einfach Teil eines
lebenslangen Lernprozesses. Somit ist dieser Lebens- und Reisebericht nicht nur
für alle zukünftigen Indientouristen empfehlenswert sondern ebenso für alle Suchenden.
Äußerst einfühlsam werden hier Einblicke in die indische Gesellschaft
vermittelt, wobei von Verurteilungen oder abschätzigen Bemerkungen gänzlich
abgesehen wird. Respekt den Menschen und deren meist vollkommen anderen
Lebensumständen gegenüber stehen im Vordergrund. Sehr achtsam aber durchaus
ehrlich bekennt Auffarth dann auch, dass ihn die oft in großen Gruppen
anzutreffenden Israelis am meisten zu schaffen machten, was überhaupt nichts mit
Rassismus oder gar Antisemitismus zu tun hat sondern lediglich das Extrakt
seiner Erfahrungen und Erlebnisse mit eben dieser Backpacker-Spezies darstellt.
Schließlich versucht er, deren Verhalten zu er- und begründen und schließt
sofort an, dass fast jede größere Gruppe ein besonderes, meist nicht sehr
sensibles Verhalten an den Tag legt, weshalb er es vorzieht, größtenteils
allein zu reisen. Ein wenig schmalzig erscheint dann zwar die Aussage „Ich fühlte mich eng mit den einfachen und
quicklebendigen Menschen verbunden. Sie waren nichts anderes als meine Brüder.“
doch zeigt sie eben genau, was den Unterschied zwischen Tourismus und
Reisen ausmacht. Allein die Welt zu erkunden, das ist die beste Schule fürs
Leben, zumindest, wenn man dies mit offenem Auge, wachem Verstand und einer
positiven, relaxten Einstellung angeht.
Wer würde schon, wenn er einmal im Leben die
Chance hat, an einem Teaching des Dalai Lama höchstpersönlich teilzunehmen,
darauf verzichten? Auffarth trifft diese Entscheidung ganz bewusst, weil er
sich, trotz großer Anerkennung für dessen Lebenswerk, nicht in die Reihe
abertausender Indientouristen einreihen will, die allein in Yoga und klugen
Worten die Erleuchtung zu finden hoffen. Und dennoch oder gerade deswegen lernt
er hier in Dharamsala am Ende einer dieser Veranstaltungen eine wichtige
Lektion: „Während die Touristen tief in
Gedanken versunken waren, verließen die Mönche lachend den Ort. Scheinbar ließ
sich die Botschaft des Dalai Lama besser mit dem Herzen verstehen als mit dem
Verstand.“
Ähnlich verhält es sich mit der Bereitschaft,
das für die meisten Mitteleuropäer unvorstellbare Gewusel und Gedränge, das in
den meisten indischen Großstädten herrscht, nicht einfach nur zu ertragen,
sondern sogar zu lernen, es lächelnd zu genießen. Genauso wie der Autor erlebte
auch ich das drückend heiße Delhi: „Doch
inzwischen empfand ich eine geradezu irre Freude, Teil dieses Chaos zu sein.“
Ein wenig schade, doch nicht wirklich wichtig
für die Gesamtbewertung dieses Buches ist die Tatsache, dass der Lektor recht
ungenau gearbeitet und häufig fehlende Wörter oder schlecht kombinierte Wechsel
der Zeitform nicht korrigiert hat. Hier wünscht man sich für das geplante
Folgebuch mehr Achtsamkeit und Sorgfalt, damit die Lektüre dann auch wirklich
zu einem echten Lesevergnügen wird.
Bei der Beschreibung einer Szene, die
eigentlich sogar recht gefährlich war, kann man schließlich einmal schön zum
Schmunzeln kommen. Als Auffarth mit dem Finnen Frank einen Bhang Lassi trinkt,
der anscheinend aus hochkonzentriertem Marihuana gemacht wurde, und die beiden
völlig desorientiert, paranoid und reizüberflutet in einer total überfüllten,
dunklen Stadt nach ihrem Hotel suchen, lacht der Finne immer wieder lauthals
über ihre aussichtslose Situation. Als sie schließlich irgendwann dann doch
noch der zähen Masse aus Händlern, Pilgern und Rikschas entkommen waren, schaffte Frank es … „noch auf die Dachterrasse und konnte sich
knapp zwei Stunden nicht mehr bewegen und lachte ohne Pause.“ Reiche mir doch
einer dieses Lassie!
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