Da gibt es überhaupt keine Frage: Hieße Florian Popp
nicht Florian Popp sondern hätte das Manuskript dieses ungewöhnlichen und spannenden
Krimis beispielsweise als Wolfang Herrndorf an einen Verlag geschickt, dann
hätten beide Seiten damit eine Menge Geld verdienen können. Aber nun ist der
Autor dieser mitreißenden Geschichte eben (noch) ein unbekannter junger Mann
ohne Namen, und so muss er andere Wege finden, diese Story unters Volk zu
bringen. Wie genau man in den Genuss dieser Lektüre kommen kann? Vom Ende dieser Rezension sie nur noch einen
Klick weit entfernt.
Oberflächlich betrachtet säuft und prügelt sich auf
diesen reichlich 300 Seiten ein ziemlich cooler Privatdetektiv durch ein Dorf
am Ende der Welt in einem unbekannten Land. Wie er sich dabei immer wieder aus schier
hoffnungslosen Situationen befreit und dabei jeweils mit lediglich einem
weiteren blauen Auge davon kommt, das lässt den Leser immer wieder staunen und
nötigt ihm Respekt ab. Und ist Indiz für die grenzenlose Phantasie des
Schriftstellers. Schaut man dann genauer hin, stellt man fest, dass der
Protagonist ein wirklich netter Bursche ist, der sowohl feste austeilen als auch
ordentlich einstecken kann und doch unter seiner harten Oberfläche einen
sanftweichen Kern beheimatet: „Nostalgie
war eine machtvolle Droge, und ich neigte dazu, mich mehr mit ihr zu bedröhnen,
als mir gut tat.“ Deutlich wird dies auch, wenn er seine Pensionswirtin auf
dem Friedhof trifft und mit ihr ins Plaudern über die vor Jahren auf See
verschollenen Familienmitglieder gerät oder wenn er die blutjunge Phil, die
ebenso wie er in diesem Dorf als Fremde gestrandet ist, völlig ohne Hintergedanken
(soweit das einem Mann überhaupt möglich ist) zum Picknick einlädt. Sehr
einfühlsam und mit der Erfahrung eines Mannes, der schon alles gesehen und sehr
vieles erlebt hat, erlangt er das Vertrauen des Mädchens, ohne es zu
missbrauchen, wie es ihr eigener Vater vor Jahren getan hatte. Welcher für
diese Tat mit seinem Leben bezahlen musste, obwohl er sich doch so sicher war,
dass dieser Preis im niemals von irgendjemandem, nicht einmal vom Schöpfers selbst,
abverlangt werden könnte. Womit wir wieder bei der eigentlichen Handlung
angekommen wären: Die Dorfgemeinschaft ist durch ein Geheimnis eng verbunden,
das mit den Bildern des aus der Stadt verschwundenen und vom Detektiv nun hier
aufgespürten Malers und dessen Lehrers zu tun hat. Dieses Rätsel ist nun nicht
nur ziemlich unvorstellbar und unrealistisch, wie so vieles in Film und Buch
(weshalb solcherlei Geschichten ja gerade erst geliebt werden), sondern auch
Ursache des einzigen kleinen Kritikpunktes des Rezensenten. Dies hat nun aber
weniger mit den seltsam machtvollen Bildern an sich als vielmehr mit des Kritikers
Abneigung gegen fiktionale Literatur zu tun. Kein Grund zur Sorge also, denn so
unglaublich die Story auch ist, so
rasant verläuft sie von Anbeginn und so fesselnd nimmt sie den Leser
sofort in seinen Bann. Doch, und das unterscheidet eine normale von einer richtig
guten Geschichte und trennt die Spreu vom Weizen der Schriftstellerei: Hier
wird nicht einfach nur stringent erzählt, was der Mann, dessen Name nicht
genannt wird, im Dorf erlebt und anstellt. In genau der richtigen Dosierung
werden Rückblenden, Erinnerungen und einige seiner im Kopf säuselnden Gedanken
eingeschoben, womit dem Manne nicht nur ein Gesicht sondern auch eine
Persönlichkeit gegeben wird. Popp versteht es hervorragend, durch gezielt eingefügte Ideen und Grübeleien
des Helden die teilweise bedrückende Stimmung wunderbar aufzulockern und schafft
es durch kurze Sätze wie: „Zufrieden
wartete ich auf die Reaktion. Die Reaktion lies ebenfalls auf sich warten.“ den
Leser in der spannendsten Szene kurz zum Schmunzeln zu bringen.
Überhaupt sind es die vielerlei unkonventionellen aber durchaus
nachvollziehbaren Gedanken des Detektives bzw. seines Schöpfers, die der
Geschichte ihren unvergleichlichen Touch verleihen und Lust auf mehr Florian
Popp machen. Und wann durfte man schon solche phantastischen Anmerkungen lesen
wie diese: „Gehen Sie jetzt, BITTE!“, und das Gehen war tatsächlich kursiv. Und
das Bitte in Kapitälchen gesetzt.“ ?
Die in diesem Roman immer wieder vorzufindende
Aneinanderreihung von ziemlich fieser Gewalt und Härte auf der einen und der
Beschreibung von sensiblen Gefühlen auf der anderen Seite, wirken weder
kitschig noch langweilig sondern kommen sehr authentisch beim Leser an: „… und ein zarter Duft stieg auf von ihrer
Haut. Dann kam ein weiterer Windstoß, und der Duft war Geschichte, aber eine
Erinnerung war geweckt.“ Wer könnte nicht solch einen Duft mit ein wenig
Konzentration jederzeit heraufbeschwören und ohne Mühen in Erinnerung an
Vergangene(s) schwelgen? Den Rezensenten jedenfalls wird wohl in Zukunft immer
bei der Lektüre von Detektivgeschichten oder der Beschreibung einsamer Orte am
Meer die Erinnerung an „Fern wie die Zeit“ einholen. Was es mit dem Titel auf
sich hat? Ganz einfach: „Sie [die Zeit] hatte wichtigere Dinge zu tun,
als sich um dieses abgelegene Dorf zu
kümmern; hier unterhielt sie nur eine kleine Außenstelle, und die war nicht oft
besetzt.“
Und hier geht’s zum Ebook:
Im Laufe des März wird es dann auch ein gedrucktes
Buch geben und zwar bei:
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