Donnerstag, 23. Februar 2012

Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten - Christian Kracht

Sehr seltsam, dieser laut Klappentext „grosse Schweiz-Roman“ von Christian Kracht. Die Grundidee, die hinter der Geschichte steht, ist durchaus interessant und ziemlich ausgefallen, jedoch die story lässt zu wünschen übrig. Für meinen Geschmack zumindest:

Weil Russland seit dem Tunguska-Meteoriteneinschlag verstrahlt und unbewohnbar ist, kam Lenin eben in die Schweiz, um dort seine Revolution zu veranstalten und seine Ideen vom Kommunismus zu verwirklichen. Er gründet die SSR (Schweizer Sowjet Republik), was zur Folge hatte, dass sich die Parteimitglieder hier nun gegenseitig mit „Eidgenosse“ ansprachen. Ein durchaus gewitzter, gelungener Einfall dies. Ebenso wie jenes Umkrempeln der tatsächlichen Gegebenheiten hinsichtlich des afrikanischen Kontinents. Dort herrschen in diesem Roman keineswegs Hunger, Elend und Korruption sondern Wohlstand und Nahrungsüberfluss; Schweizer Architekten haben die modernsten Großstädte hochgezogen, große Straßen sowie tausende Kilometer Eisenbahnlinien gebaut und vielerorts Militärakademien gegründet. In diesen wurden dann, ganz dem Kampf gegen Rassismus entsprechend, kleine Afrikaner zu großen Militärs ausgebildet, die später in dem zum Zeitpunkt der Erzählung bereits seit fast 100 Jahren andauernden Krieg helfen sollten, die miteinander verbündeten deutschen und britischen Faschisten zu besiegen. Soweit kann man ja vielleicht noch folgen und diese originelle Idee sympathisch finden. Doch welche Rolle genau das „Großaustralische Reich“, die „Hindustanies“ oder die „Koreaner“, die aus Pjönjang heraus operieren und anscheinend eine Führungsrolle in der Welt eingenommen haben, genau in diesem Krieg und in dem Roman spielen, wurde mir leider nicht ganz klar.

Ebenso wenig wie der Grund dafür, dass der farbige Parteikommisär, der eigentlich einen Abweichler verhaften soll, von seiner Aufgabe, abkommt und immer weiter Richtung Süden wandert, bis er schließlich wieder in Afrika ankommt, wo die Menschenmassen aus den Städten zurück in die Dörfer gehen. Wahrscheinlich haben sie einfach nur die Nase voll von Kommunismus, Wohlstand und Gleichheit und sehnen sich nach ihrem ärmlichen Dorfleben zurück.

Ich könnte an dieser Stelle viele weitere Details ausführen, die mich verwirrt zurück ließen (Wieso wusste die Ehefrau des Abweichlers, die eben noch mit dessen Verfolger geschlafen hatte, dass die deutsche Granate genau an dieser Stelle eintreffen würde und warum hat sie sich nicht aus dem Staub gemacht anstatt sich in selbigen zu verwandeln? Wieso rettet ein seltsames Männchen den Parteikommissär vor dem sicheren Tod, in dem es dessen Fuß von der Mine nimmt und seinen darauf stellt, obwohl es weiß, dass es dadurch sterben wird…) aber mir scheint es nicht wirklich lohnenswert, auf die Spinnereien des Schweizer Autoren Christian Kracht näher einzugehen. Wäre ich ein noch bedeutender Literaturkritiker, ja dann würde ich das Buch vielleicht im Sinne eines Reich-Ranicki verreißen. Aber so bleibt mir nur, schnell zur nächsten Lektüre zu greifen (was ich bereits getan habe und ich sage Euch: Freut Euch mit mir auf einen wunderbaren Roman und dessen hoffentlich ebenso wunderbare Besprechung!) und allenfalls noch ein wenig darüber zu sinnieren, dass das Weltgeschehen auch ganz anders hätte verlaufen können.

Montag, 20. Februar 2012

Gefährliche Geliebte - Haruki Murakami

Ein weiterer Murakami, der ursprünglich verschenkt werden wollte, fiel mir dadurch, dass die potentiell Beschenkte diesen bereits gelesen hatte, zufällig in die Hände. Welch schöner Zufall. Denn wenn „Gefährliche Geliebte“ auch ganz anders, nicht so abgefahren und weitaus weniger mysteriös als „Kafka am Strand“ ist, so enthält auch dieses Werk einiges an nachdenkenswertem Stoff sowie unaufgeklärte Geheimnisse um die ein wenig mysteriöse Geliebte Shimamoto, deren Leben weitestgehend im Hintergrund bleibt, obwohl sie sowohl für diesen Roman als auch für das Leben von Hajime eine entscheidende Rolle spielt.

Wir lesen von einem knapp 40-jährigen Einzelgänger – das Alter Ego von Haruki Murakami? – der sein Leben samt Zweifeln und wichtigen Entscheidungen beschreibt. Nur an wenigen Anhaltspunkten erkennt der aufmerksame Leser, dass die Geschehnisse dieses Romans schon vor relativ vielen Jahren stattfanden. Ansonsten könnte man genauso gut denken, dass sich diese  Geschichte genau heute und hier ereignet(e). Und schon damals, so scheint es, war es in der westlichen Welt verpönt, wenn man seine spärliche Zeit einmal nicht auf irgend eine Weise gewinnbringend einsetzte, was der Ich-Erzähler treffend beobachtet und beschreibt, als er von den überall herumliegenden Zeitschriften berichtet: „Vielleicht befürchteten die Menschen, sie könnten unvermutet ein bisschen Zeit haben und nichts, um sie totzuschlagen, so dass sie nach irgendetwas schnappen, was ihnen gerade in die Finger kommt. Ich begreif’s einfach nicht.“ Ich auch nicht, Hajime!

Der junge Hajime hat, genau wie Kafka, kaum gute Freunde und schiebt dies darauf, dass er eines der wenigen Einzelkinder in seiner Mittelschichtumgebung mit Einfamilienhaus und Wagen vor der Tür ist, wo mindestens 2 Kinder zum Standardprogramm gehören. Kaum gute Freunde: Aber dafür eine richtig gute Freundin! Shimamoto (an die für uns ungewöhnlichen Namen und Orte gewöhnt man sich bei Murakami seltsamerweise immer recht schnell), die ebenfalls keine Geschwister, dafür aber ein hinkendes Bein hat. Mit ihr läuft er täglich gemeinsam von der Schule nach Hause und genießt dabei die in der Behinderung der 12-jährigen begründete Langsamkeit, ist er doch so länger mit ihr, von der er sich endlich verstanden fühlt, zusammen, was er außerordentlich genießt. Doch kann solch eine wunderbare „Sandkastenfreundschaft’’ für ewig halten? Leider nicht, denn mit dem Wegzug von Shimamoto in ein anderes Stadtviertel verliert sich der intensive Kontakt zunehmend, unweigerlich und unwiederbringlich. Keine gemeinsamen Nachmittage mehr auf der Couch von Shimamotos Eltern, nie wieder Zuschauen, wie sie äußerst behutsam, zärtlich, ja liebevoll des Vaters Schallplatten säubert und auflegt, vorbei das lauschende Zusammensitzen auf dem Sofa, unwiederbringlich vom Jetzt in die Vergangenheit transferiert: die klugen und anregenden Gespräche mit einer ähnlich fühlenden, ähnlich suchenden, ähnlich denkenden, ihn ähnlich liebenden kleinen Frau.

Kein junger Mensch will lange die Zweisamkeit missen und so verliebt er sich ein paar Jahre später in ein weder besonders hübsches noch besonders interessantes, dafür aber gutes und nettes Mädchen. Doch trotz aller aufrichtigen Zuneigung zu Ihr bleiben die Zweifel an der (Auf) Richtigkeit der Beziehung: „Izumi würde meinen Traum nie verstehen. Sie hatte ihre eigenen Träume, die Vision von einem völlig anderen Ort, einer Welt, die mit meiner kaum etwas gemein hatte“. Kann eine Beziehung mit solch einem wackligen Fundament wirklich in den Himmel wachsen? Izumi mag Hajime wirklich gern und freut sich auf die gemeinsame, zuweilen von Ihr jedoch schon mit einem Anflug von Zweifel hinterfragen Zukunft mit ihm. Auch sie stellt ihm diese, von unsicheren Geliebten oft benutzte Frage, die unbedingt verboten werden sollte (wäre nicht ein generelles Verbot aller Verbote die Grundlage der zukünftigen und erstebenswerten Gesellschaft): „Magst Du mich wirklich?“ Worauf ja wohl keine Antwort außer der Einen in Frage kommt. Doch dies ist es nicht, warum er ihr schließlich so weh tun wird. Auch die konsequente Weigerung, sich ihm auch körperlich zu öffnen, ist wohl nur hintergründig ein Auslöser für seinen rasanten und unehrenhaften Abgang. Izumis um drei Jahre ältere Cousine und deren extreme körperliche Anziehungskraft sind dafür verantwortlich. Gepaart mit dem uns von unseren wilden Vorfahren mitgegebenen Trieb. Die beiden verbringen einige, wenn auch nicht wirklich viele, dafür jedoch wirklich wilde Nächte, in denen kein überflüssiges Wort gesprochen, kein uneinlösbares Versprechen gegeben sondern nur wild und verrückt gevögelt wird. Penisschmerzen inklusive. Als die etwas scheue Izumi schließlich davon erfährt, beendet sie die Beziehung sofort und erholt sich zeitlebens nicht mehr von diesem Schock. Grausam, wie viele Jahre später ein gemeinsamer Schulfreund von einer Begegnung mit ihr berichtet: „Die Kinder haben Angst vor ihr“. Dass man einem anderen Menschen nur dadurch, dass man lebt, irreparablem Schaden zufügen kann…

Für Hajime bricht erneut eine lange Periode der Einsamkeit und Unausgeglichenheit an, die auch der Job in einem Schulbuchverlag, den er fast 10 Jahre lang durchhält, nicht gerade angenehmer macht. Schließlich lernt er dann doch noch eine Frau kennen, die er heiratet und mit der er eine Familie gründet. Er liebt sie wirklich, schläft auch nach vielen Jahren noch 3 mal die Woche mit ihr, genießt sogar die tägliche Fahrt zum Kindergarten und das Singen von Kinderliedern mit seinen Töchtern und richtet sich so ein in diesem normalen Leben. Dank Yukikos reichem Vater, der Hajime einen dicken Batzen Geld borgt, richtet dieser sich 2 sehr gut laufende Jazz-Bars ein, muss zum Dank dafür aber auch seinen Namen für zwielichtige Geschäfte  hergeben. Alles läuft also ganz normal in Hajime’s Leben und er ist ziemlich zufrieden. Was sich schlagartig ändert, als seine Jugendliebe Shimamoto in einer der Bars auftaucht. Die alte Liebe zu ihr bricht in kürzester Zeit wieder auf und mit ihr die leichte Melancholie und Unzufriedenheit mit seinem Leben. Von nun an wartet er nur noch auf den nächsten Besuch Shimamotos, der manchmal Monate auf sich warten lässt aber doch immer wieder stattfindet. Die Wochen und Monate, in denen er sie nicht sehen kann, sind eine einzige Qual für ihn. Es gab doch:“… so vieles, worüber ich mit ihr reden, wozu ich ihre Meinung hören wollte. Wenn sie über sich nichts sagen mochte, meinetwegen. Sie nur sehen zu können, mit ihr reden zu können, wäre mir genug.“ Wer je wirklich geliebt hat, und zwar diese uneigennützige, wahre Liebe, die ohne Gegenleistung auskommt, weiß, wovon Murakami hier schreibt. Shimamoto tut Hajime jeden Gefallen, auch wenn er dafür seine Frau belügen muss, was ihm wirklich nicht leicht fällt. Als die alten Freunde zusammen darum bangen, einen Flug nach Hause zu verpassen, was Hajime seiner Frau niemals plausibel erklären würde können, da sie ihn wo ganz anders vermutete, überlegt er: „Im Unterbewusstsein hoffte ich, meine Frau würde herausfinden, dass ich mit Shimamoto hier war. Ich wollte Schluss machen mit Ausreden, den Lügen. Vor Allem aber wollte ich genau da bleiben wo ich mich befand, mit Shimamoto neben mir, und den Dingen ihren Lauf lassen.“

Gegen Ende der Erzählung sitzen beide zusammen im Auto, um in das Ferienhaus der Familie zu fahren. Hier macht Shimamoto ihm dann unmissverständlich klar, dass sie ihn zwar genau so liebt wie er sie, dass er sich aber entscheiden müsse. Entweder er bekommt sie ganz oder gar nicht. (Was genau sie damit meint, glaubt er lediglich, verstanden zu haben, denn es handelt sich um weitaus mehr, als darum, zusammen zu leben.) Woraufhin Hajime ohne lange zu überlegen seine Entscheidung trifft, was in einer wunderschön beschriebenen, ein wenig neidisch machenden Liebesnacht mündet. Sein weiterer Lebensweg scheint vorgezeichnet: Trennung von seiner Familie, dafür ein erfülltes, glückliches Leben mit seiner geliebten Shimamoto, gegebenenfalls hin und wieder ein paar Zweifel ob der Richtigkeit seiner Entscheidung. Doch bei Murakami kommt es immer anders als gedacht: Am Morgen ist Shimamoto weg, Hajime kehrt mit hängenden Ohren zu seiner Frau zurück, die – dumm ist sie keinesfalls – sofort erkennt, wo der Hase lang läuft und ihn direkt darauf anspricht, ob er eine andere Frau lieb habe. Wieder soll er sich entscheiden, was ihm in diesem Fall weitaus schwerer fällt. Wochenlang quält er sich mit der Frage, ob er seine Familie verlassen oder sich gänzlich auf sie einlassen soll, um mit ihr glücklich zu werden. Letztendlich erwidert er auf Yukikos Vorschlag, morgen ein neues Leben anzufangen: „Ich halte das für eine gute Idee“.

Sollte der Leser gehofft haben, aus den Entscheidungen des gequälten, sympathischen „Helden“ auch für sein eigenes Leben die richtigen Schlüsse ableiten zu können, hat er sich geschnitten. Da kann man wohl tausend Bücher zum Thema lesen, der Weg zum Glücklichsein will von jedem einzelnen selbst gefunden werden.

Dienstag, 14. Februar 2012

Der Pfad des friedvollen Kriegers - Dan Millman

Als leicht anarchisch veranlagten Borderline-Pazifisten hat mich schon der an sich recht widersprüchliche Titel dieser Buchempfehlung gereizt. Doch habe ich mich dann ziemlich schwer getan, in diese (angeblich)I wahre Lebensgeschichte des amerikanischen Leistungssportlers Dan Millman hineinzufinden, was sicherlich auch daran lag, dass ich gleichzeitig leichtere Kost „verspeiste“ welche ich immer wieder diesem teilweise sehr anspruchsvollen Lebensratgeber vorzog.

Die Geschichte an sich ist, so unglaubwürdig sie erscheinen mag, schnell erzählt: Der erfolgreiche aber irgendwie ziemlich unglückliche Sportstudent Dan trifft durch Zufall an einer Tankstelle auf einen weisen Alten, den er fortan Socrates nennt. Warum Soc, der mir zuweilen doch mit für einen realen Menschen ziemlich überirdisch anmutenden Kräften gesegnet ist, sich gerade Dan als Lehrling in Sachen Glücklichsein ausgesucht hat, weiß der Alte allein. War es Zufall oder Schicksal, Vorhersehung oder pures Glück für Dan? Schließlich treibt sich doch auf Erden, insbesondere im materiell so reich gesegneten Teil, in dem wir durch Zufall geboren wurden, eine Unmenge melancholischer, depressiver oder einfach nur unglücklicher Gestalten herum, denen solch eine spezielle Kur nur zu gut tun würde.

Socrates nimmt Dan nun mit auf eine einzigartige Reise, deren Ziel es ist, genauso glücklich zu werden, wie er es selber ist. Solch einen Lehrer zu finden, wünschten sich sicherlich Viele unter uns. Wenn man dann aber liest, was Dan so alles auf dieser Reise abverlangt wird, fragt sich der Leser schnell, ob auch er bereit wäre, diese Reise mitzugehen. Am Anfang stehen leichtere Übungen wie bewusstes Atmen und bewusstes Leben ganz allgemein, meditieren, zur Ruhe kommen usw. Dinge also, die jeder Yogalehrer zu vermitteln sucht. Allerdings hat Soc die Fähigkeit, Dan auf spezielle Reisen zu schicken. Ob es sich dabei um Hypnose, Träume oder was auch immer handelt, wird nicht erklärt, aber es scheint unseren jungen Helden stark zu beeindrucken, was er während dieser Abwesenheitsmomente alles sieht und erlebt. Ich jedenfalls kenne nicht viele Menschen, die, so wie Dan, von sich behaupten, sie verstünden, dass sie „alles“ seien. Alle Tiere, alle Menschen, die Erde, die Planeten… Eine schwierige, für mich kaum nachvollziehbare Vorstellung

Was ich hingegen sehr wohl verstehen und für mich annehmen kann ist Socrates’ Ratschlag, jeden Moment bewusst zu (er)Leben. Nicht der Vergangenheit nachtrauern, nicht auf die Zukunft hoffen – nein, jetzt diesen Moment genießen und darüber glücklich werden. Ohne weitere Gründe! Ich habe es probiert und über eine Woche, in der ich wirklich (ziemlich glücklich war) durchgehalten!

Dan fällt es anfangs trotz aller Neugier und Sinnsuche sehr schwer, den Ratschlägen des Alten zu folgen und sein ganzes bisheriges Leben in Frage zu stellen. Zudem soll er auf Alkohol verzichten sowie seine Ernährung komplett umstellen und extrem einschränken. Nicht einmal der Liebe soll der junge, vor Saft strotzende Sportler fröhnen dürfen (was mich endgültig  davon abbrachte, seinem Weg zu folgen). Aber Dan hält durch und wird mit einem großen Geschenk belohnt. Er lernt bei Socrates die fröhliche, gut gelaunte, glückliche und Liebe ausströmende Joyce kennen, in die er sich sofort verliebt. Aber er kann sie nicht treffen, wann er dazu Lust verspürt sondern nur, wenn Soc es will.

Nachdem Dan nun die ersten Lektionen erfolgreich absolviert hat (und das, obwohl ihn ein schwerer Unfall für Wochen ans Krankenbett fesselt) geht es mit extremer körperlicher Ertüchtigung weiter. Wann er in diesen Monaten Zeit zum Schlafen und regenerieren hat (früh treibt er zeitig Sport mit Joyce oder Soc, tagsüber hat er Training und Vorlesungen an der Uni, abends muß er Lernen und nachts führt er stundenlange Gespräche in Soc’s Tankstelle) und wie er über all diesen Beschäftigungen auch zur (innern) Ruhe kommt, wird nicht verraten. Wir erfahren lediglich, dass Dan’s Weg zum Glücklichsein ein sehr langer ist und sich über 9 Jahre hinzieht. In dieser Zeit heiratet er und wird Vater (das Sexverbot galt also nicht für immer!), hat eine Freundin, mit der er sich so richtig wesensverwandt fühlt, welche er aber aus Pflichtbewußtsein gegenüber seiner Familie wieder verlässt  - nur glücklich wird er nicht richtig. Auch eine Weltreise bringt es nicht wirklich und so begibt er sich schließlich auf einen trip in die Wüste, wo er in Natur und Stille zu sich finden, die Erkenntnis erlangen will. Und – welch Zufall – hier läuft ihm sein alter Lehrer Socrates über den Weg und nimmt ihn mit auf einen alten Indianerfriedhof, wo es sehr mystisch zugeht und Dan regelrecht Angst um sein Leben verspürt. Auch hier erlebt er wieder einen dieser bewegenden Träume und ist anschließend wie verwandelt. Dan ist glücklich, einfach nur so, ohne Grund. Der Glückliche! Und so beschließt er, seine Familie nun doch zu verlassen (ob die darüber auch glücklich wird?) und ruft seine ehemalige Geliebte an. Diese wartet anscheinend seit Jahren nur auf diesen einen Anruf und steht kurze Zeit später vor seiner Tür am anderen Ende der USA. Und wie es sich für ein amerikanisches Happy End gehört, erkennen die beiden nun, dass sie sich in einer früheren Zeit schon einmal getroffen haben. Dan hat seine Joyce wiedergefunden. Und wenn sie nicht gestorben sind, so lieben sie noch heute. Und zwar glücklich!

Wie man diesen Worten entnehmen kann, hatte ich so meine Probleme mit der Art der Darbietung, die Erzählung war mir ein wenig zu amerikanisch-konservativ und teilweise ein wenig zu abgehoben. Das Wesentliche hingegen ist auch bei mir angekommen: Lebe jeden Augenblick bewusst, atme tief, esse langsam, genieße und sei glücklich – grundlos glücklich! Nun denn, worauf warten wir noch?

Samstag, 11. Februar 2012

Das läßt sich ändern


Eine kleine Rezension über ein kleines kluges Büchlein, das unsere Gesellschaft zwar kritisiert aber dies ohne Zeigefinger tut und sogar einen Ausweg aus dem Dilemma aufzeigt. Es handelt davon, „Drinnen“ oder „Draussen“ zu sein, also Geld, Arbeit, Job und Anerkennung zu haben – oder aber nicht.

Was ich, neben der zum Nachdenken anregenden Geschichte von Adam (der von „Draussen“ kam und auch niemals „Drinnen“ sein wollte) und der ohne Namen bleibenden Ich-Erzählerin besonders mochte, war der angenehme und interessante Schreibstil. Fragen kommen ohne Fragezeichen aus und Zitate werden nicht in Anführungszeichen gequetscht, die in vielen Büchern längere Dialoge oft unangenehm unübersichtlich erscheinen lassen. Darüber, dass sich der Autorin Birgit Vanderbeke an einer einzigen Stelle dann doch einmal die üblicherweise verwendeten An- und Ausführungszeichen eingeschlichen haben, was anscheinend auch dem Lektor nicht auffiel, kann ich gern hinwegsehen.

Dafür ist die kurzweilig erzählte Handlung von einer Familie, die sich dem immer stärker um sich greifenden und ausufernden Konsumverhalten der alten Bundesrepublik verwehrt, sowie deren sympathischen Kindern, Nachbarn und Freunden einfach zu schön um wahr zu sein.

Adam hat es schon seit seiner Jugend gewusst: die Gesellschaft verblödet, ihre Menschen passen sich an, prostituieren sich, vergessen, wie man mit den eigenen Händen etwas erschaffen kann und kaufen, kaufen, kaufen. Als seine Freundin für den gemeinsamen Sohn ein Plastik-Rutschauto erwirbt, fällt er aus allen Wolken und es kommt zu einer Grundsatzdiskussion. Wunderschön jedoch, wie der Streit beendet wird, kurz bevor er richtig eskaliert: Adam sagt leise und mit weicher Stimme Ich streich den Himmel blau für Dich, ein Zitat von Ton Steine Scherben. Nur kaufen, sagte Adam sanft und bestimmt, kann ich sie nicht, nicht den Himmel, nicht den Mond und nicht die Sterne.

Und dies wird fortan zum Lebensmotto der jungen Familie. Mit einer alten Freundin, die ein wirklich altes Haus auf dem Land geerbt hat, ziehen sie auf’s Dorf und freunden sich dort auf der Suche nach einem Bohrer mit dem etwas grießgrämigen Bauer Holzapfel an, welcher fortan für die Kinder zum Ersatzopa wird. Adams unerschöpfliche schöpferische Kraft, sein unglaubliches handwerkliches Geschick und sein großer Intellekt (erkennt hier irgendwer gewisse Gemeinsamkeiten mit dem Rezensenten?) verhilft dem gemeinsamen Haus zu einer Schönheitskur und dem alten Kuhstall des Bauern zu einer beträchtlichen Anzahl von Pferdeboxen für die Vierbeiner der reichen Städter, die mit ihren Jeeps am Wochenende auf’s Land flüchten. Und gleichzeitig zu neuer Lebenskraft und einer Verjüngungskur des alten Bauern, der den Hof schon abgeschrieben hatte, sich aber nun mit der Lebensenergie seiner Nachbarn ansteckt.

Nachdem Fritzi mit ihrer pragmatischen und un-dogmatischen Art ein taubstummes Kind das Sprechen und ein schreibunfähiges das Schreiben gelehrt und sich in den italienischen Ex-Programmierer, Neo-Künstler und begnadeten Koch Massimo verliebt hat, der die Wohngemeinschaft vervollkommnet und abrundet, fängt die Idee des „Basislagers“ an zu reifen. Und da ist es überhaupt kein Widerspruch, dass mit Massimo, der einst als kleiner Knabe von seiner Mama das Kochen gelernt hat und seine Mitbewohner nun auf die feinsten kulinarischen Reisen mitnimmt, der Hedonismus im Dorf einzieht. Vorher wird noch die Familie des Imbissbesitzers Özyilmaz samt Cousins und Cousinen ins Boot geholt, der in einem Nebenraum des Pferdestalls die leckersten Hühner der Welt (und das von einem Veggie!) halal schächten darf. Was sogleich von den Dorfbewohnern, die nun, nachdem es den Feind im Osten nicht mehr gibt, die ausländischen Mitbürger zum Ziel ihrer Unzufriedenheit und ihres Hasses erklärt haben, zur Anzeige gebracht wird. Dies stört indes keinen der bunt zusammen gewürfelten Gemeinschaft, die sich eine Jurte baut, auf Schuhe verzichtet, Gemüse anbaut (während aus den Ghettoblastern der türkischstämmigen Jugendlichen feinster Rap über die Streuobstwiese schallt) und mit anderen Gleichgesinnten, die sich vom Konsum-Wahn abkoppeln und selbst ernähren, vernetzt.

Ist es also doch möglich, dieses freie Leben? Frei von der allgemeinen Kaufgeihlheit, frei von Ärzten, die unsere aufgeweckten Kinder mit Ritalin vollstopfen, statt ihnen Platz zum Toben zu geben, frei von Lehrern, die durch ihre Entscheidungen Kinder nach „Drinnen“ oder „Draussen“ schicken? Es scheint so. Laßt uns die Suche nach diesem Paradies beginnen!

Donnerstag, 2. Februar 2012

Jesus liebt mich

Während ich diesen Roman von David Safier las, knickte ich, entgegen meinen sonstigen Gewohnheiten, nur ein einziges Eselsohr, was dieser Rezension nun auch zu lediglich einer einzigen Zitierung verhilft.

Als die Ich-Erzählerin Marie (übrigens ist mir aufgefallen, dass in den meisten Romanen der Autor seiner Hauptperson  seine eigene "Stimme" verleiht und auf diese Weise die Geschichte erzählt) bei Ihrer Trauung in der Kirche, die übrigens von keinem Geringeren als dem (ehemaligen) Erzengel Gabriel vorgenommen werden soll, einfach nur "JA" sagen muss, wie es doch schon Milliarden Menschen vor ihr getan haben, kommt sie (wie wahrscheinlich ein großer Anteil dieser Milliarden) ins Grübeln. Bevor Sie dann aufgrund ihrer Überlegungen den Mut zum "NEIN" findet (den hingegen nur die Allerwenigsten der oben erwähnten Menschenmassen aufbringen) sinniert sie über das allseits bekannte (und gefürchtete) 
"Bis das der Tod Euch scheidet..." :

"...war eine extrem weitreichende Zeitspanne. Das hatte man sich bestimmt damals ausgedacht, als die Christen eine Lebenserwartung von dreißig Jahren hatten, bevor sie in ihren Lehmhütten starben oder von einem Löwen im Cirkus Maximus verspeist wurden..."

Ist solch ein Versprechen noch zeitgemäß, wo wir heutzutage 80, 90 Jahre alt werden und es dementsprechend lange miteinander aushalten müssen? Oder ist es vielleicht gerade DESWEGEN so wichtig, dass man sich genau dieses Versprechen gibt?

Egal, mit diesem NEIN macht sie sich nun nicht nur ihren Verlobten Sven (dem sie kurze Zeit später als masochistisch veranlagtem Krankenpfleger wieder begegnet und ihm ob seiner tätlichen Spritzen-Angriffe einen kräftigen Tritt in die Eier gibt), sondern auch den Rest der Kleinstadt Malente zum Feind.

Gut nur, dass kurz darauf neben der jungen Weißrussin Swetlana, die Marie als "Wodka-Hure" betitelt, und die sich ihr seit über 20 Jahren keusch lebender Vater geangelt hat, der beeindruckende Zimmermann Joshua auftaucht. Von dessen Aussehen und insbesondere von seiner Aura und den unglaublichen Augen absolut geplättet, jedoch von seiner altmodischen, völlig ironielosen Art zu sprechen nur geringfügig verunsichert, ergreift Marie kurzerhand die Initiative und geht mit ihm dinieren. Das Joshua keine Pizza kennt (aber sofort liebt), belustigt sie nur, dass er jedoch einen Obdachlosen an den Tisch holt, um mit ihm "das Brot"  - repsektive die Pizza - zu teilen, verunsichert sie schon ein wenig mehr. Dass er sich dann von Sven, dem gehörnten Bräutigam, ordentlich verprügeln läßt (in dem er auch noch die andere Wange hin hält) findet sie dann doch nicht mehr lustig. Dennoch genießt sie den Abend und Josuhas Aufmerksamkeit auf ganz besondere Weise und verliebt sich nicht nur in seine Stimme, die er im lokalen Karaoke-Club auf betörende Weise einsetzt. Dass er sie nicht belogen hat, sondern in der Tat DER Jesus ist und nicht nur ein netter Spinner, der sich für den Messias ausgibt, glaubt sie erst, als er sie von ihrem gekenterten Tretboot über das Wasser laufend rettet. So treffend wie wohl für keine Frau zuvor trifft für Marie nun die alte Weisheit zu, dass sie sich immer in die falschen Männer verliebt.

Dumm nur, dass Gott andere Pläne hat und es sich nicht so einfach gefallen läßt, dass sich sein Sohn mit einer mittelmäßigen Mittdreißigerin einlässt, statt die Welt im Endkampf gegen Satan, der mittlerweile ebenfalls in Malente, und zwar in Form eines Schwarzen Schwans, angekommen ist, zu führen. Und so zitiert Gott nun Marie als ersten Menschen seit Moses zu sich, um sie davon zu überzeugen, die Hände von Jesus zu lassen, damit dieser seine Aufgabe erfüllen kann. Dieser Dialog (in dem Gott im Übrigen als Frau auftritt) gehört sicherlich zum Besten, was dieses Roman zu bieten hat. Denn Marie denkt nicht daran, klein beizugeben, sondern fordert Gott heraus, in dem sie ihm ein paar wichtige Fragen stellt, die dieser geduldig beantwortet: Ist Gott nun der strafende oder der liebende? (natürlich ist er beides in Einem, wußtet Ihr das nicht???) Wieso droht Gott den Menschen mit solch furchtbaren Strafen wie ewigem Fegefeuer? (weil der Erziehungsberechtigte nun mal seine Kinderchen ein wenig beeindrucken muß, um sie den rechten Weg gehen zu lehren), und warum hat er es zugelassen, dass Jesus so furchtbar leiden mußte, als man ihn ans Kreuz genagelt hat, statt ihn mittels eines Schlaftrunks friedlich aus dem irdischen Leben scheiden zu lassen? (weil es die Menschen waren - und denen wurde nun mal der freie Wille gegeben). Scheinbar hat Gott es nun mit Überzeugung (die auch ich schon immer für die beste aller Erziehungsmethoden halte) geschafft, Marie dahin zu bringen, ihren freien Willen dahingehend zu nutzen, mit Jesus "Schluss" zu machen.

Typisch Frau (dieser typisch männliche Einwurf sei mir an dieser Stelle gestattet) erklärt sie dem verblüfften Joshua nun, dass sie sich geirrt habe, und läßt ihn traurig am See zurück, nur um es sich kurz darauf anders zu überlegen und ihn abzufangen, bevor er wieder Richtung Jerusalem aufbricht, wo die Endschlacht beginnen soll. Dumm nur, dass gerade in dem Augenblick, als sie sich endlich küssen wollen, Satan mit seinen Reitern auftaucht, der, clever wie er ist, nicht nur den Ort des Geschehens von Jerusalem nach Malente, sondern auch den Beginn der Schlacht auf just diesen Moment verschiebt. Nun muss sich Jesus erst einmal mit Satan, dem Tod (der die Gestalt Maries angenommen hat), der Krankheit (Maries Schwester Kata, die einfach nur ihren beschissenen Gehirntumor loswerden wollte), dem Krieg (wer wäre hierfür besser geeignet als Maries ehemailger Verlobter Sven) und dem Hunger(Turnschuhpfarrer Dennis) auseinandersetzen.

Einzelheiten über dieses seltsame Geschehen in der Malenter Fußgängerzone, über die die Autoren der biblischen Offenbarung sicher nur ein müdes Lächeln übrig haben, erspare ich meinen Lesern an dieser Stelle. Nur so viel: Gott ist so schwer von Maries Liebe zu Jesus beeindruckt, die sich darin äußert, dass sie sich uneigennützig zwischen diesen und Satan stellt, dass er den Kampf abrupt beendet und den beiden seinen Segen gibt. Statt nun aber Jesus' Traum von einer eigenen Familie, den ihm damals schon Maria Magdalena verwehrte und der im Übrigen auch Maries Traum ist, Realität werden zu lassen, macht sie erneut eine Kehrtwende und erklärt dem nun vollends verdadderten Mann, dass beider freier Wille sich gegen diese Liebe entscheiden müsse, weil Jesus dadurch sterblich würde. Schließlich habe die ganze Menschheit einen Anspruch auf Jesus uneingeschränkte Liebe, wie könne sie diese nur allein auf sich konzentrieren?

Diese vielen Tricks und Kuhhändel, die sämtliche Protagonisten in dieser Geschichte gegenüber Gott bzw. Satan geltend machen, (und da habe ich noch nicht einmal erklärt, warum der Erzengel Gabriel seine Flügel abwarf und Mensch mit riesigen Rückennarben wurde!) erinnert mich irgendwie an einen türkischen Basar. Läßt sich Gott tatsächlich auf so etwas ein???

Jesus nun, voller Liebe zu seinem Vater, zu Marie und dem Rest der Menschheit, muss nun Maries Entscheidung respektieren  - was bleibt ihm auch anderes übrig? Hier ist er nun wirklich ganz Mensch und mir sehr nah, als er sich, verklausuliert, dieses beschissene "aber wir können ja Freunde bleiben" anhören und lächelnd "aber gern" antworten muss. Gottseidank hat er immer noch übermenschliche Fähigkeiten und so schafft er, was auf Erden sonst leider niemand kann: Mit einem keuschen Wangenkuß vertreibt er allen  Liebeskummer und Maries Trauer über diese unerfüllte Liebe ihres Lebens. Schade, dass nur Jesus solches zu tun vermag und er nie da ist, wenn man so ein Wunder benötigt...