Freitag, 20. Januar 2012

100 Tage Sex

Details über diesen Bericht zweier Amerikaner, die seit 14 Jahren zusammen leben und mit 2 kleinen Töchtern gesegnet sind, werde ich an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: Lest dieses Buch!!! Auch wenn wohl niemand dieses Experiment, das durch eine dänische Männerselbsthilfegruppe inspiriert wurde, deren Mitglieder seit mindestens 100 Tagen keinen Verkehr mehr mit ihren Frauen hatten, nachvollziehen und selbst auspobieren wird (wiewohl es schon sehr verlockend klingt...), so kann jedes Paar dem hier beschriebenen Marathon eine Menge guter Ratschläge entnehmen. Nein, das Buch ist weder in sprachlicher noch in künstlerischer Hinsicht ein Reißer, und auch der Übersetzer war wohl während seiner Arbeit mehr mit seinen erotischen Phantasien beschäftigt, die unweigerlich des Lesers Gedankenwelt einnehmen, als mit der Suche nach gelungenen deutschen Entsprechungen diverser englischer Formulierungen. Daher hat er beispielsweise in regelmäßiger Abfolge immer wieder das im Englischen gebräuchliche "however" mit "Wie dem auch sei" übersetzt, was zwar nicht wirklich falsch ist aber doch schnell nerven kann. Und wer von uns kann schon eine "Pringles-Dose" mit einem erigierten Penis assoziieren? Doch diese kleinen Unachtsamkeiten spielen überhaupt keine Rolle, wenn man offen und neugierig das tatsächlich durchgeführte Experiment verfolgt und sich die vom Autor mit viel Einfühlungsvermögen erkannten und voller Offenheit plastisch dargestellten Lehren, Tipps und Anregungen für die Gestaltung einer wirklich diesen Namen verdienenden und auf lange Sicht angelegten Partnerschaft zu Eigen macht. Es geht nämlich nicht nur um die Erkenntnis, wie guter Sex funktioniert, sondern wie dieser auf die Beteiligten positiv zurückwirkt und das ganze Leben, Denken und Fühlen positiv beeinflussen kann. Ob Ihr es den beiden nun gleichtun, Euch bei der Lektüre lediglich ein wenig amüsieren oder aber versuchen wollt, das Extrakt dieses Experiments herauszulesen, auf dass es Euer Leben positiv beeinflusse, müßt Ihr selbst entscheiden. Ermutigend die abschliessenden Sätze sowohl des Buches als auch dieser Rezension: "Wir begriffen, dass es völlig unnötig war, hundert Tage hinter einander Sex zu haben. Schon dreißig Tage würden Wunder wirken. Oder zwanzig. Oder zehn."

Donnerstag, 19. Januar 2012

Kafka am Strand - Haruki Murakami

Dieses war zwar mein erster „Murakami“ aber ganz gewiss nicht der letzte! Jedoch werde ich meinen nächsten nicht sofort in Angriff nehmen. Denn, obwohl mich „Kafka am Strand“ begeistert hat, benötige ich nun erst einmal ein wenig Abstand zu Murakamis phantasievoller Gedankenwelt. Denn einfach zu verstehen ist diese Geschichte keinesfalls. Sie ist eine, über die man am Liebsten mit anderen Lesern noch lange und ausführlich diskutieren möchte, genauso wie nach einem gut gemachten Film, den man zusammen im Kino sah, bei dem Fragen offen bleiben und wohl auch keine einfachen Antworten zu finden sind.

Die hier niedergeschriebene Geschichte zu beschreiben, fällt wirklich nicht leicht. Zwei Handlungsstränge verlaufen parallel, man ahnt dann auch bald einen Zusammenhang zwischen beiden, und auch die Zeitebene wechselt von der Gegenwart in die Vergangenheit und zurück. Aber dies ist überhaupt nicht das Verwirrende, im Gegenteil, es macht den Roman durchaus spannend. Schwierig sind zwar auch einige der Dialoge (bei mehrmaligem Lesen eröffnet sich jedoch schnell der tiefere Sinn, meistens jedenfalls) wirklich kompliziert wird es aber erst im weiteren Verlauf des Buches.

Dabei fängt alles ganz harmlos an, als man erfährt, dass der alte Nakata mit Katzen sprechen kann (später lässt er dann aber auch Blutegel und Sardinen vom Himmel regnen). Das macht ihn, der ein wenig verwirrt durchs Leben geht, irgendwie richtig sympathisch. So wie überhaupt die meisten Figuren wirklich nette, wenn auch ziemlich eigene Charaktere sind. Mystisch (und bis zum Ende nicht aufgelöst) ist die Geschichte, in der Nakata als kleiner Junge mit 30 anderen Kindern in eine Ohnmacht fällt, aus der er dann als einziger mit bleibenden Schäden (nämlich seiner auf den ersten Blick dümmlichen aber in Wahrheit wunderbar schön kindlich-naiven Art) und ohne Erinnerungen an sein vorheriges Leben erwacht. Auch der 15-jährige Kafka Tamura ist, obwohl ziemlich verschroben und einsiedlierisch, ein wirklich guter Kerl. Der stärkste 15-jährige der Welt muss er sein, sagt er sich immer wieder. Dass er überaus gern liest und viel Zeit in Bibliotheken verbringt, ist wahrscheinlich der Hauptgrund, warum ich ihn von Anfang an so mochte. Aus nicht näher erläuterten Gründen flieht er aus Tokyo, wo er zusammen mit seinem Vater in einem Haus lebt, diesen aber äußerst selten und nur ungern zu Gesicht bekommt. Im Bus Richtung Süden freundet er sich mit einer ebenfalls sehr sympathischen jungen Frau an. Anrührend, wie Sie, die einen festen Freund hat und daher keinesfalls fremdgehen würde, den viel jüngern Kafka in ihr Bett lässt um ihn mit ihren geschickten Händen auf liebevoller Art Erleichterung zu verschaffen. Nur um ihn daraufhin sofort wieder in seinen eigenen Schlafsack zu schicken. Dass es sich wohl um seine Schwester handelt, die vor vielen Jahren mit der Mutter das elterliche Haus verlassen hat, erfährt man später, als er von einer Art Fluch berichtet, den ihm sein Vater auferlegt hat. Darin heißt es, er werde mit seiner Schwester und mit seiner Mutter schlafen. Letzteres geschieht tatsächlich: Die grazile Saeki-san, Chefin der kleinen Privat-Bibliothek (die so wunderbar beschrieben wird, dass ich mich genau dort hin wünsche) in der Kafka Unterschlupf und für einige Wochen ein neues zu Hause findet, hat es ihm angetan, obwohl sie ca. 35 Jahre älter ist als er. Auch sie hat etwas sehr Geheimnisvolles an sich, das eng mit Kafka verbunden ist, und kommt mehrfach nachts in sein Bett. Und dies, obwohl er ahnt – und es ihr auch zu Verstehen gibt – dass sie seine Mutter ist.

Neben den äußerst seltsamen und irgendwie überirdischenen Gestalten Johnny Walker und Colonel Sanders (das ist der bärtige Mann, der an jedem Kentucky Fried Chicken Imbiss zu sehen ist) lernen wir noch zwei weitere wichtige Personen kennen. Dies sind der LKW-Fahrer Herr Hoshino und der liebenswerte Oshima, welcher in der Bibliothek arbeitet und sich sofort des dort gestrandeten jungen Kafka Tamura annimmt. Auch Oshima ist, wie eigentlich alle auftretenden Personen, anders ist als die Anderen: Sich als Mann fühlend aber in einem zierlichen Frauenkörper fast ohne Brust und ganz ohne Penis lebend, fühlt er sich zu Männern hingezogen. Ist er demnach eine schwule Frau? Ein Transvestit? Völlig egal. Oshima erklärt dem jungen Ausreisser voller Geduld die schwierigsten Zusammenhänge des Lebens und der Liebe, öffnet diesem die Augen und bringt ihn, als die Polizei ihn sucht, weil er möglicherweise etwas mit dem Mord an seinem Vater zu tun hat – was in der Tat nicht ganz von der Hand zu weisen ist – in eine abgelegene Berghütte. Ganz Einsiedler, verbringt Kafka hier viele Tage ganz allein mit Lesen, Sport, ausgedehnten Expeditionen, die ihn bis in eine Parallelwelt führen, und Träumen. Beneidenswert, dieses einfache Leben inmitten der Natur!

In der Parallelgeschichte lernt der alte Nakata den jungen Herrn Hoshino kennen, der ihn von der Straße aufliest und sehr von dessen seltsamer Sprache und unkonventioneller Art beeindruckt ist. Dies führt dazu, dass er seinen LKW stehen lässt, sich bei seinem Chef abmeldet und mit Nakata zusammen auf Reisen geht. Was genau dieser sucht, weiß keiner von beiden, dass sie es zusammen finden werden, wissen alle von Anbeginn an: Nakata, Hoshimo und wir, die Leser. Es ist die Bibliothek, in der die schöne Saki-san friedlich und für immer einschlafen wird, nachdem sie ein, vor dem  Publikum nicht offenbartes, Gespräch mit Nakata geführt hat. Welcher im Übrigen anschließend ebenfalls in den ewigen Schlaf verfallen wird. Was es bedeutet, dass dann ein grünes Ungeheuer aus Nakatas totem  Mund austritt, mit dem Hoshimo kämpft, damit „der Eingang“ (in eine andere, eine parallele Welt?) wieder geschlossen wird, dies gehört zu den zahllosen, phantastischen Geheimnissen dieses fesselnden, eigenartigen, großen Buches.

Und diese Sprache!!! Wie schön Murakami über die Liebe schreibt, die Kafka zu Saeki-san empfindet: „Du malst Dir aus, was sie jetzt gerade tut… Du stellst Dir vor, dass sie allein in ihrer Wohnung ist, und siehst einzelne Szenen vor Dir – sie wäscht, sie kocht, sie putzt, sie macht Einkäufe. So lange, bis der Gedanke, dass Du hier festsitzt, Dir den Atem nimmt. Du möchtest Dich in eine kühne Krähe verwandeln und diese Berghütte verlassen. In den Himmel fliegen, über die Berge, dich vor ihrem Haus niederlassen und ihr für alle Ewigkeit zusehen“.

Mittwoch, 18. Januar 2012

Das wird mein Jahr

...stand nicht auf meiner Bücherliste, weil ich weder davon gehört noch darüber gelesen hatte und mir auch niemand empfahl, es mir vorzunehmen. Nein, ich bekam Sascha Langes zweiten Roman zu Weihnachten geschenkt. Und begann mit sehr kritischer Haltung darin herumzublättern. Warum? Weil mich sein Erstlingswerk, in dem es ausschließlich um Westpakte und Depeche Mode ging, nicht nur nicht vom Hocker gerissen hatte, sondern ich ziemlich enttäuscht darüber gewesen war. Daher freue ich mich umso mehr, an dieser Stelle nun verkünden zu dürfen, dass Sascha (ein Jugendfreund, kurzzeitiger Bandgenosse und konspirativer Entwickler der von mir aufgenommenen Fotos einer Leipziger Demonstration vom Mai '89 samt Stasispitzeln) sich weiterentwickelt hat. Zwar strotzt auch dieser Wenderoman von, mir leider unbekannten, Musiktiteln und Bands. Dies spricht aber nicht unbedingt gegen den Autor (dessen hauptberufliche Historiker-Tätigkeit nun einmal mit Jugendkulturen eng verquickt ist) sondern ist sicher auch ein Zeichen meines zur damaligen Zeit noch nicht einmal ansatzweise entwickelten Musikgeschmacks. Dafür ist es mir sehr leicht gefallen, mich in die Gedanken- und Gefühlswelt des Ich-Erzählers Friedemann Blumenstrauß (für diese schöne Namens-Kreation ein großes Lob, Sascha!) hineinzuversetzen. Denn es gibt erschreckend viele Parallelen zwischen Friedemann, mir und dem Autor. Auch ich war im Sommer 1989 in Ungarn und habe mich dort mit Freunden aus der BRD (sagt man ja heute gar nicht mehr) getroffen. Auch ich war zu dieser Zeit in eine Anke verliebt. Auch ich habe heimlich und nur mit einer Taschenlampe bewaffnet ein paar Gegenstände aus einer Wohnung geholt, deren Besitzer über Ungarn in den Westen geflüchtet war, bevor die Stasi anrückte. Hier hören zwar die Gemeinsamkeiten auf, denn ich ging weder sofort nach der Maueröffnung in den Westen (hätte es aber sicher Friedemann gleich getan, wäre auch in meinem Briefkasten die Einberufung zur Nationalen Volksarmee gelandet), noch baute ich je Gras an (Friedemann war als Gärtner geradezu prädestziniert dazu, im Auftrag eines Dorgendealers den Dachboden seiner auf der Esslinger Gärtnerei, in der er arbeitete, befindlichen Wohnung mit Unmengen von Pflanzkübeln und Kunstlicht auszustatten, was ihm jedoch mehr Ärger als Glück einbrachte). Ich warf auch nie mit Pflastersteinen auf Polizisten, die ein von mir und meinen Kumpels besetztes Berliner Haus räumten und hatte nie eine ältere, erfahrene Geliebte, die mich als Grünschnabel in die Geheimnisse der Liebe einführte. Dafür mußte ich zum Glück auch nie mit ansehen, wie die Bullen mit ihren schweren Einsatzfahrzeugen meinen geliebten VW-Campingbus zerstörten. Kurzum, ein Roman für alle, die Ihre Jugend gerade abschlossen, als es mit der DDR bergab ging und die das uns damals vereinnahmende Gefühl von Freiheit aber auch das von Ernüchterung ob der Tatsache, dass "im Westen" auch nicht alles Gold ist was glänzt, noch einmal nachvollziehen möchten, ohne in Ostalgie zu verfallen. Ob auch andere Zielgruppen wirklich großen Gefallen an dieser, doch recht einfach gestrickten und ohne spannende Wendungen oder Ideen dahin plätschernden Geschichte finden werden, kann ich nicht sagen, wiewohl ich es Sascha Lange natürlich wünsche. Der Aufbau-Verlag (der zufälligerweise auch die Bücher des lokal bekannten Autoren-Vaters, Kabarettisten UND ehemaligen Gärtners (!) Bernd Lutz Lange verlegt, an den ich mich dann wohl nach Fertigstellung meines Erstlingswerkes voller Zuversicht wenden werde) wird schon gut kalkuliert haben, bevor er die Entscheidung zum Druck dieses Buches getroffen hat. Alles andere wäre reine Spekulation. Warum jedoch in einer unwichtigen Nebenrolle ein ungarischer Mann mit dem Nachnamen Minor auftaucht, das muß ich bei Gelegenheit mal beim Schrifsteller erfragen. Um einen Zufall wird es sich wohl kaum handeln, schließlich kennen wir beide eine bedeutende Persönlichkeit gleichen Namens, dessen Schwester samt Familie in Ungarn lebt. Vielleicht lüfte ich das Geheimnis an dieser Stelle einmal zu einem späteren Zeitpunkt, wohlwissend, dass es nicht wirklich von Bedeutung für dieses Buch oder diesen Blog ist.